„Niemand kann sich ewig aufopfern“ – Elvira Müller im STROHhalm Interview
Elvira Müller arbeitet ehrenamtlich im Vorstand der Alzheimergesellschaft mit und koordiniert die Arbeit der Rostocker Selbsthilfegruppen für pflegende Angehörige in der Demenzpflege. Der STROHhalm, die erste Rostocker Straßenzeitung, welches durch Obdachlose verkauft wird, sprach mit ihr. Das Interview führte Frank Schlößer.
Elvira Müller, Sie leiten die Selbsthilfegruppe für Angehörige von Demenzkranken. Sollte man nicht eher den Kranken helfen?
Es gehört zum Krankheitsbild, dass die Demenzkranken ihre Erkrankung nicht reflektieren können. Die Demenzkranken fühlen sich in der Regel nicht krank, sie verstehen ihre Erkrankung
nicht. Aber ihr Umfeld leidet, von den Angehörigen fordert diese Diagnose viel Kraft.
Was kann eine Selbsthilfegruppe dafür tun?
Sie kann dabei helfen, die richtige Haltung zu den Kranken zu entwickeln. Das ist sehr schwer, denn die Persönlichkeiten der Väter, Mütter, Großeltern verändern sich und sie passen immer weniger zu den Erinnerungen, die man an sie hat. Hinzu kommt: Es gibt keine Heilung. Damit muss man umgehen lernen.
Was sind denn die richtige Haltung?
Man kann die nötige Gelassenheit lernen. Zum Beispiel, dass es keinen Sinn hat, den Demenzkranken in irgendeiner Weise widersprechen zu wollen, zu korrigieren oder zu verbessern. Das ist einerseits aussichtslos und es tut außerdem den Erkrankten weh. Und man kann auch lernen, mit der Unabänderlichkeit der Entwicklung umzugehen. Die Demenzkranken spüren die Emotionen, mit denen man ihnen begegnet. Was ein Wort bedeutet, wird mehr und mehr unwichtig. Wichtiger ist, wie etwas gesagt wird: Werde ich gestreichelt? Oder werde ich beschimpft? An Demenz stirbt man nicht, man weiß nicht, wie lange man mit dieser Krankheit lebt. Deshalb müssen die Pflegenden auch lernen, mit ihrer Kraft zu haushalten.